casablanca gGmbH – Innovative Jugendhilfe und Soziale Dienste

printheader

Newsletter Herbst/Winter 2017

Interview mit Mandy Dewald

 

"Nur wer selber brennt, kann andere anfeuern!"

Mandy Dewald – Koordinatorin der Angebote zur Kinder- und Jugendförderung –

 

 

Mandy 2008„Hard Facts“ zur Person MANDY DEWALD:

  • geboren: 1975
  • aufgewachsen in: Berlin-Wedding
  • Berufsweg: Ausbildung als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, anschließend Studium der sozialen Arbeit
  • Bürositz: SoKo 116, Koloniestraße 116, 13359 Berlin-Wedding
  • wohnhaft in: Staaken an der Stadtgrenze (Spandau) zusammen mit ihrem Ehemann und den 2 Kindern (4 und 13 Jahre)
  • bei casablanca seit:15 Jahren

 

Zu den Angeboten der Kinder- und Jugendförderung von casablanca gehören zur Zeit vier freizeitorientierte Treffpunkte für Kinder und Jugendliche in Berlin-Wedding:

frisbee rgb websoko116 logo webLogo Jugendetage-55towanda Logo klein

 

frisbee“ für Kinder | „SoKo 116“ & „Jugendetage 55“ für Jugendliche | "TOWANDA" für Mädchen ab 14 Jahren

 

Wie bist Du zu casablanca gekommen?

FrisbeeBuero

Ich habe damals mit einem Praktikum beim „frisbee“ angefangen. Ich hatte mir vorher in Praktika wirklich alles angeschaut – ich habe mit Behinderten, mit alten Menschen gearbeitet, beim Jugendamt und in der Jugendstrafanstalt.

Bei meinem letzten Praktikum bin ich beim Kinder- und Stadtteiltreff frisbee gelandet. Das war ein glücklicher Zufall, weil ich unbedingt einen Praktikumsplatz brauchte, der arbeitszeittechnisch mit einem Nebenjob kompatibel war (lacht).

 


Was reizt Dich an der Arbeit in der Kinder- und Jugendförderung?

Also irgendwie war es schon immer mein Wunsch, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Ich habe auch schon sehr früh gewusst, mit 12 oder 13 Jahren, dass ich Erzieherin oder Sozialarbeiterin werden möchte.

Ursprünglich war mal mein Plan, mit straffälligen Jugendlichen was zu machen, weil ich ja auch eine Ausbildung als Rechtsanwalts-und Notarfachangestelle habe und dann bei einem Strafverteidiger war. Während des Studiums guckst du dir ja praktikumstechnisch ein bisschen was an und beim Praktikum in der Jugendstrafanstalt hab ich aber festgestellt: Resozialisierung und pädagogisch arbeiten – da hast du nicht viele Handlungsspielräume. Du verwaltest eigentlich eher junge Menschen. Und dafür sind Praktika ja auch gut, weil man da irgendwie merkt: Nee, das entspricht irgendwie nicht so meinen Vorstellungen. Dann habe ich gedacht, da musst du vorher ansetzen. Und so bin ich im Grunde genommen zur offenen Kinder und Jugendarbeit gekommen. Also eher durch einen Zufall. Denn als ich dann beim frisbee gelandet bin, habe ich gemerkt: Oh, die offene Kinder und Jugendarbeit ist total interessant. Das ist mein Handlungsfeld!

Diese Handlungsspielräume die du hast, Dinge gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen zu entwickeln. Und auch etwas, was du in keinem anderen Handlungsfeld der sozialen Arbeit hast: dieses Partnerschaftliche mit den Kindern und Jugendlichen. Und das Ganze auf freiwilliger Basis. Das fand ich einfach spannend. Und da geb ich nicht nur von mir in der Arbeit, sondern ich krieg auch immer ganz viel von den Kindern und Jugendlichen zurück. Das ist etwas Partnerschaftliches.

 

Nachtschicht

 

Was bekommst du denn zurück?

Nach 15 Jahren gelingt es jungen Menschen immer noch, mich für neue Dinge zu begeistern. Ich lerne von denen ganz viel, also aus dem jugendkulturellen Bereich, weil sie neue Dinge an uns herangetragen, was gerade neue Trends sind u.s.w. Oder ich finde es auch spannend mit denen Dinge gemeinsam zu entwickeln, ihre Talente zu entdecken – das hast du ja an keinem anderen Handlungsfeld so. Und sie überraschen einen auch immer wieder. Du entdeckst Dinge, die du manchmal nicht vermutest oder hast Aha-Erlebnisse. Ich kann mich zum Beispiel entsinnen an eine witzige Geschichte dieses Jahr: In der Jugendarbeit sind ja oft eher die Jungs so präsent. Und das hat sich jetzt in vielen unserer Einrichtungen, gerade auch in der SoKo, verändert. In der ersten Jahreshälfte ist doch der Weltfrauentag. Zufällig genau an diesem Tag kamen die Jungs in der SoKo auf mich zu, weil wir da jetzt deutlich mehr Mädchen haben und haben einen Jungenraum für sich gefordert. Am Weltfrauentag – das fand ich irgendwie eine witzige Anekdote und es war auch so ein Aha-Erlebnis. Nach 15 Jahren, dass die dich immer wieder überraschen und für sich gefordert haben: Hey, hier sind so viele Mädels und die sind auch schon immer so schäkertechnisch unterwegs – wir brauchen auch einen Rückzugsort für uns.

 

Was schätzt Du an Deiner Arbeit?

Ich schätze wirklich die Handlungsspielräume, die ich habe. Klar gibt es auch eine Zielvereinbarung die wir mit dem Jugendamt treffen, wir haben bestimmte Schwerpunkte und so. Aber wir haben hier eine Prozessorientierung, keine Ergebnisorientierung. Das steht und fällt ja auch mit den Themen der jungen Menschen – und ich und meine Kolleg*innen nehmen die sehr ernst. Viele Dinge ergeben sich aus bestimmten Situationen heraus und das schätze ich sehr, dass ich dann diesen Dingen auch nachgehen kann und nicht einen strengen Fahrplan nach dem Berliner Bildungsprogramm oder nach dem Schulplan habe, den ich „abarbeiten“ muss.

Und ich kann auch noch mal einen anderen Fokus auf junge Menschen haben: Schmieren die in der Schule aufs Schulklo „I was here“ oder sowas, dann ist eigentlich für andere ganz klar der Fokus: Das sind die Raumbeschmierer! Ich bin in der Jugendarbeit und das ist das, was ich so schätze und wo ich auch immer noch was mitnehme, denn ich kann ja im Grunde genommen die Perspektive umdrehen und sagen: Das sind keine Raumbeschmierer, sondern das sind Raumgestalter. Und ich gebe Ihnen jetzt den Raum, gemeinsam mit mir was zu gestalten und Dinge auszuhandeln. Ich muss mich nicht permanent an Defiziten orientieren und Dinge sanktionieren, sondern kann mir einfach auch viel besser angucken, was die Themen der jungen Menschen sind und diese entdecken. Und das finde ich auch nach 15 Jahren nach wie vor spannend. Und oft verbergen sich Dinge hinter Situationen, die ich so auch erst mal nicht vermute.

 

Mandy T-Restl

 

Wie war das in deiner Kindheit und Jugend – hast du da auch solche Freizeiteinrichtungen besucht? Und gab es bei dir Phasen im Leben, in denen es auch hätte anders laufen können?

Ich bin ja selber auch im Wedding großgeworden. Deswegen finde ich schön, dass ich da heute auch wirken kann. Ich habe selber das Olof-Palme-Zentrum besucht und auch den Abenteuerspielplatz Humboldthain. Und ich glaube, wenn man im Wedding groß wird, ist immer alles möglich – in beide Richtungen. Ich kenne natürlich auch diesen ganzen Sumpf. Ich bin im Brunnenviertel großgeworden und ich selbst habe es nicht so empfunden. Aber wenn du dich mehr nach außen orientierst, Freundschaften knüpfst und andere sagen: “Können wir uns mal woanders treffen?“, dann wird dir bewusst: Du wirst hier in einem sozialen Brennpunkt groß.

Und ich habe natürlich unwahrscheinlich viele Schulfreunde und so, für die es ganz anders gelaufen ist. Aber ich hatte selber ein gutes Elternhaus, worauf ich dann quasi aufbauen konnte. Aber natürlich – jeder macht eine Phase durch. Auch ich kenne: Wir schmeißen Steine, wir machen Blödsinn, wir kiffen. Man probiert sich halt aus. Klar hätte das irgendwie auch in eine andere Richtung kippen können. Aber die Frage ist ja immer, wie gefestigt man ist. Ich glaube wichtig ist immer, dass man ein Ziel vor Augen hat und das habe ich immer gehabt. Und ich hatte auch meinen Sport. Ich habe 25 Jahre lang Handball gespielt – auf Leistungssportniveau. Und da war dann klar, dass du dich am Wochenende oder am Freitag nicht volllaufen lassen kannst, weil am nächsten Tag um acht musstest du irgendwo in der Halle stehen und wolltest auch ein Spiel gewinnen.

Und das sind die Dinge, die ich dann auch versuche an die jungen Menschen heute weiterzugeben: Du brauchst Orientierung, du brauchst Bezugspunkte.

 

Du bist ja sehr aktiv – kannst du sagen, woher du so viel Energie nimmst oder hast du die einfach so?

Ja, ich glaube ich habe die einfach. Ich merke schon mit zunehmendem Alter, dass ich schneller an meine Grenzen komme. Aber wenn mir Sachen richtig wichtig sind und ich das Gefühl habe, da kommt es jetzt wirklich drauf an, dass du da noch mal richtig Gas gibst, kann ich da richtig Kraft draus schöpfen und auch für einen gewissen Zeitraum über meine Grenzen gehen. Weil ich einfach das Gefühl habe, wenn du das jetzt machst, dann… also gerade dieses Jahr habe ich das wieder gemerkt:

Mandy1Dieser Prozess in der offenen Kinder und Jugendarbeit, diese Demo, diese Unterschriftenkampagne* – das hat sehr auf meinen Schultern geruht und war im Grunde genommen wie ein zweiter Job. Aber das war es mir wert, es hat sich ja letztlich dann für uns auch ausgezahlt. Und so bin ich einfach gestrickt.

*In allen Einrichtungen konnten dank der Aktionen im Rahmen einer bezirklichen Kampagne der AG78 Jugendarbeit, die Mandy maßgeblich mitorganisiert hat, neue Mitarbeiter*innen eingestellt beziehungsweise Stunden aufgestockt werden.

 

Mein Motto ist eigentlich immer: Nur wer selber brennt, kann andere anfeuern! Das finde ich ganz wichtig für die offene Kinder- und Jugendarbeit. Weißt du, nur wenn ich selbst aktiv, engagiert und motiviert bin, überträgt sich das letztlich auch positiv auf die Arbeit. Und ich bin da immer gut mit gefahren.

 

Was wünschst du dir bei der Arbeit für dich und die Zukunft?

Ich bin jetzt vier Jahre in dieser Tätigkeit, also der Koordinierung der Kinder und Jugendförderung, und ich glaube, da ist noch viel viel Luft nach oben. Da sehe ich mich jetzt schon noch eine ganze Weile, vor dem Hintergrund, den Standort Edinburger Straße (Jugendetage 55 & Mädchentreff TOWANDA) weiterzuentwickeln, dann auch mit einem neuen Haus und so. Und generell auch die Entwicklung der Kinder- und Jugendförderung voranzubringen – das ist mir ein großes Anliegen. Sowohl auf der finanzierungstechnischen Ebene, also dass mehr Geld in den Topf muss, als auch zu gucken, wie wir die offene Kinder und Jugendarbeit weiterentwickeln können, sowohl bei casablanca als auch generell im Bezirk. Da sehe ich schon noch eine Menge Baustellen, an denen ich gerne mitwirken möchte. Aber ansonsten bin ich auch immer offen – keine Ahnung wo die Reise hingeht. Kommt sowieso immer alles anders, als man denkt. Ich glaube es ist gut, einen Plan oder einen roten Faden zu haben. Aber ich lasse mich auch immer gern auf Neues ein – gucke rechts und links, wo eine Tür aufgeht.

 

Vielen Dank für deine sehr überzeugenden Aussagen und deine leidenschaftliche Arbeit, liebe Mandy!

Das Interview führte Elisabeth Müller (Öffentlichkeitsarbeit casablanca gGmbH)

 


Kinder- und Jugendhilfeträger casablanca gGmbH

transparente-zivilgesellschaft

Freie Plätze finden Sie hier.

soziales-im-netz klein

Aktuelle Seite: Home Newsletter Herbst/Winter 2017 Interview mit Mandy Dewald

Wir verwenden Cookies, um die Website bereitzustellen. Mehr Informationen über Cookies finden Sie hier.
Durch Ihr Surfen auf der Website erklären Sie sich ausdrücklich mit der Speicherung von Cookies auf Ihrem Computer einverstanden.
Soweit Sie damit nicht einverstanden sind, verlassen Sie bitte die Website.