Newsletter Frühjahr 2019
Ein Urteil gefährdet familienähnliche Betreuung in der stationären Jugendhilfe
Über 400 Kinder, die derzeit in Berlin in Wohngruppen mit alternierend innewohnender Betreuung leben, können nach dem jüngsten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig nicht mehr in dieser bindungsstärkenden Wohnform aufwachsen.
Das Urteil vom 8. Mai hat rechtlich geklärt, dass der Betreuungsmodus der sogenannten WaB-Gruppen nicht mit Arbeitszeitbestimmungen konform ist.
In den WaB-Wohngruppen – bei casablanca sind es noch vier mit 24 Kindern – wohnt jeweils ein*e Erzieher*in für eine Woche mit sechs Kindern in einer Trägerwohnung. Von den beiden anderen Erzieher*innen unterstützt eine*r tagsüber, der/die andere hat frei. In der nächsten Woche wechselt die innewohnende Fachkraft.
Besonders für bindungsgestörte Kinder wird die Gruppe so zu einem familienähnlichen Lebensort, an dem sie, anders als im üblichen Schichtdienst, zur Ruhe kommen können, Beziehungskontinuität und Verlässlichkeit erfahren und Konflikte auch mal am nächsten Morgen weiter bearbeiten können.
Hier geht’s zur Reportage über eine Gruppe bei casablanca (2017)
Diese Betreuungsform kann nun nicht mehr oder eventuell, in einem nur noch politisch auszuhandelnden Übergangszeitraum aufrechterhalten werden. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege bemühen sich um eine Übergangsvereinbarung mit der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales als Fachvorgesetzte des Landesamts für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi).
An einem rasch initiierten Fachgespräch der Wohlfahrtsverbände über die Zukunftsfähigkeit familienanaloger Angebote in der Jugendhilfe am 14. Mai nahmen auch casablanca-Vertreter*innen teil. Entstanden ist die Forderung nach konkreten politischen und konzeptionellen Lösungen zur Erhaltung von bindungsstärkenden Wohnformen, damit nicht die pädagogisch umstrittene Schichtdienstbetreuung einzige Alternative bleibt. Bestenfalls soll eine Ausnahme im Arbeitszeitgesetz (ähnlich der SOS-Kinderdörfer) erwirkt werden. Wenigstens soll es eine hinreichende Übergangszeit geben, auch damit die derzeit in WaBs lebenden Kinder ihr Zuhause nicht verlieren.
Wir wollen dieses familienanaloge Angebot in jedem Fall erhalten und werden uns an entsprechenden Aktivitäten beteiligen. Unsere vielen positiven Erfahrungen, Stimmen von (ehemaligen) Kindern und von Erzieher*innen, die sich bewusst für diese Tätigkeit entschieden haben, werden wir bei Petitionen oder für mögliche Anhörungen einbringen.
Um erfolgreich sein zu können, brauchen wir vielseitige Unterstützung.
Wenn Sie selbst (oder Menschen und Funktionsträger*innen, die Sie kennen) rechtliche oder öffentlichkeitswirksame Maßnahmen unterstützen könnten, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme mit Heidi Depil (Geschäftsführerin casablanca) über Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder Tel 030 206315 457