Newsletter Mai 2020
Newsletter Mai 2020
in Kontakt bleiben: die Familienförderung
Austausch, Kontakt, Kindergruppen, Umarmungen, tröstende Hände auf schweren Schultern, freudiges, aber auch herausforderndes Beisammensein, miteinander kochen, essen, lachen, singen, weinen, diskutieren, lernen, unterstützen, ermuntern und ermutigen, herausfordern und zutrauen… so könnte es noch lang weitergehen, wenn wir an das Familienförderzentrum denken.
Es dreht sich also alles um die zwischenmenschliche Begegnung.
Bis vor kurzem tummelten sich noch viele Menschen in unserem Panke-Haus. Kinder rannten durch die Gänge, Eltern wurden beraten, Kinderwagen verstopften den Flur.
Und dann wurde plötzlich alles anders. Mit dem um sich greifenden Corona-Virus und der damit verbundenen Handlungsunsicherheit, mussten wir unsere Angebote Stück für Stück zurückfahren, bis zu dem Punkt der kompletten und längerfristigen Absagen. Kein Sprach-Café mehr, keine rauchenden Köpfe in der Hausaufgabenhilfe, keine Babys in der Krabbelgruppe, keine Eltern, die sich nach der Geburt ihrer Kinder wieder langsam an den Sport herantasten und jeden Mittwoch erschöpft, aber glücklich unsere Räume verlassen, kein Sprach-Parcours für Kitas und Grundschulen.
Was bleibt sind die Familien. Die können nicht abgesagt werden, prekäre Lebensrealitäten nicht runtergefahren werden. Was auch bleibt, ist unsere Verantwortung als Familienförderzentrum, denn neben all den schönen Dingen und Begegnungen, die im Panke-Haus und im Soldiner Kiez stattfinden, gibt es auch Herausforderndes und das musste und muss im Blick behalten werden. Es ist unerlässlich, dass von Gewalt betroffene Kinder weiterhin Ansprechpartner*innen und Hilfe finden und zudem ihr Recht auf Bildung und Teilhabe gewährleistet wird. Aber wie soll das funktionieren, wenn Schulen schließen, Freund*innen unerreichbar sind und Spielplätze zum Sperrgebiet werden? Was ist mit all den von Gewalt betroffenen Frauen, wenn es keine Gruppenangebote mehr gibt und das Zuhause zur Falle wird, weil Lösungen in der Not plötzlich so weit weg erscheinen?
All diesen Fragen und noch vielen weiteren, mussten wir uns stellen. Und auch wenn wir nicht alles lösen und abfangen können, ist es wichtig, dass wir unsere Möglichkeiten erkennen. So nutzen wir Schaukasten, Fensterscheiben und Türen, um Aushänge anzubringen. Dort finden sich Informationen für Kinder darüber, wie sie sich schnell und unkompliziert Hilfe holen können, wenn sie von sexuellem Missbrauch betroffen sind und auch erwachsene Personen werden auf Hilfsangebote hingewiesen, sollten sie von häuslicher Gewalt betroffen sein. Dabei beziehen wir auch die digitalen Möglichkeiten mit ein und bieten neben einer Online-Beratung, die psychosoziale Beratung weiterhin telefonisch an. In Kontakt bleiben, darauf kommt es jetzt an und so wurde das Sprach-Café, das jeden Mittwoch im Panke-Haus stattfindet, kurzerhand zum online-Sprach-Café gestaltet. Schöner Nebeneffekt: auch Kinder nehmen jetzt, zusammen mit ihren Eltern, teil.
Mit der Zeit wurden die kritischen Stimmen bezüglich des deutschlandweiten Schulausfalls lauter. Mehr und mehr wurde deutlich, dass viele Kinder in ihren Familien nicht die benötigte Unterstützung erhalten können. Nicht jeder Haushalt hat eigene Laptops oder Tablets, um sich mit Lehrkräften im digitalen Klassenraum zu treffen, nicht jedes Kind kann die Anton-App problemlos bedienen und Eltern deren Herkunfts- und Alltagssprache nicht Deutsch ist, fällt es verständlicherweise schwer, die Schulaufgaben zu verstehen, um sie ihren Kindern zu erklären. Was also tun, wenn in diesen Tagen niemand übersetzen und unterstützen kann? Auch an dieser Stelle waren wir als Familienförderzentrum gefragt und so ist die 1:1-Hausaufgabenhilfe entstanden. Die Idee, dass eine Lehrkraft jeweils ein Kind für 45 Minuten unterrichtet, wird inzwischen schon seit einiger Zeit umgesetzt. Das bedeutet aber auch, dass nach jeder Lerneinheit der Raum desinfiziert und gelüftet wird. Abstandsregeln sind ein großes Thema, neben dem Gebrauch von Mundschutz wird daher versucht, den Abstand von 1,5 Metern zu den Kindern einzuhalten.
Diese Regel betrifft natürlich auch das komplette Team und im Flur müssen wir das ein oder andere Mal herzhaft lachen, weil unser neues Bewegungsverhalten schon sehr an 90-er Jahre Computerspiele, wie Super-Mario oder Tetris erinnert, im besten Falle noch an ungeschickte Standardtänze: vor, zurück, zur Seite, ran …
Und wie steht es inhaltlich um die 1:1- Hausaufgabenhilfe? Das hat ein Kind, das uns gestern nach der Lerneinheit verabschiedet hat, mit einem Satz beantwortet: „Lernen macht richtig Spaß!“
Dorothea Gebhardt
(Koordinatorin des Bereichs Familienbildung im Familienförderzentrum Panke-Haus)
im Team durch die Krise: ambulante Hilfen im Panke-Haus
So dicht werden wir lange nicht beieinander sein (Teile des Teams Ambulante Hilfen Mitte im September 2019Dienstag, 07.04.2020
Ich mache mein Handy an. Später als sonst – aber gestern habe ich noch lange an einem Bericht gesessen. Heute habe ich keinen einzigen Präsenz-Termin – das ist so aufgrund besorgter Eltern, die möglichst wenig Kontakte nach außen haben wollen. Und auch wir haben vor, zumindest eine Zeitlang nicht dringend notwendige Kontakte zu meiden. Was für ein komisches Gefühl in unserer Branche.
Deshalb war mein Plan für heute auszuschlafen, Sport zu machen und erst nach dem Mittagessen meinen Kopf für die Arbeit zu öffnen… Das dachte ich zumindest!
Oh Scheibenkleister! 20 Nachrichten im Teamchat… O NEIN! HeUTe Ist jA DiensTAg! Wir hatten verabredet heute zum ersten Mal unsere Team-chit-chat-Zoomzeit zu machen! Und ich sollte die Zoomkonferenz einrichten und alle anderen einladen. Das wäre um 10 Uhr gewesen. Wie peinlich! Jetzt musste jemand anderes im Team den Chat spontan einrichten UND ich habe die Gelegenheit verpasst mit den anderen zu quatschen!
Und diese Gelegenheit vermisse ich. Denn durch die sozialen Einschränkungen ist es fast unmöglich geworden, meine Kolleg*innen zwischen Tür und Angel zu sprechen. Unser Team wurde aufgeteilt, um im Falle einer Infektion möglichst viele Kolleg*innen arbeitsfähig zu behalten. Wir müssen zueinander Abstand halten, dürfen nicht lange in einem Raum bleiben. Das macht es schwer, zu hören wie es ihnen geht und kurze Fallberatungen zwischen drin zu haben. Das war immer eine große Stärke in unserem Team. Jetzt fühle ich mich das erste Mal seit drei Jahren in denen ich ambulante Hilfen mache so, als ob ich größtenteils alleine arbeiten würde. Den anderen geht es wohl auch so. Natürlich haben wir wöchentlich Teamsitzung oder Supervision (via Videokonferenz) aber das fängt den Austauschbedarf von 10 Kolleg*innen nicht auf.
Da kommt die zweite Stärke unseres Teams zum Tragen. Nämlich, dass wir Schwierigkeiten bemerken, sie dann offen benennen und am Ende gemeinsam Lösungen finden. Und das haben wir auch hier gemacht. Da wir uns momentan kaum noch im echten Raum begegnen können, haben wir uns entschieden einen virtuellen Raum zu schaffen, in dem das geht… Nun ja fast. Nächste Woche dann zumindest, wenn ich nicht vergesse dass wir verabredet sind!
Dienstag, 14.04.2020
Und das schaffen wir dann auch. Im Gespräch mit meinen Kolleg*innen wird mir wieder einmal bewusst, was für wichtige Arbeit diese in den Familien leisten. Auf kreative Weise versuchen alle das Kindeswohl und zumindest den Ansatz von Chancengleichheit sicher zu stellen. Manche sind zu Lehrer*innen geworden, weil die Eltern der Kinder es nicht schaffen, ihren Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen. Dass sie die Kinder unterstützen, trägt dazu bei, dass es weniger Konflikte in den Familien gibt. Und es sorgt dafür, dass die Lücken, die die Kinder nach der Krise haben werden nicht ganz so groß sind, wie sie es sonst wären. Andere haben ganz neue Ebenen von Beziehung mit den Adressat*innen gefunden, weil diese plötzlich andere Gespräche am Telefon führen können.
Mittwoch, 13.05.2020
Ich selbst betreue einen Jungen, bei dem das Jugendamt in großer Sorge um sein Wohl ist. Aufgrund der Corona-Pandemie haben die Eltern Angst, Termine mit einer haushaltsfremden Person zu zulassen. Ich habe zugesagt, dass ich mit Mund- und Nasenschutz arbeite. Auch daran muss man sich gewöhnen. Wenn seine Mama dabei ist, erzählt er, dass alles toll zu Hause ist und im Leben und überall sonst sowieso. Doch das Kindeswohl konnte ich so kaum einschätzen. Gestern (in der ersten Woche der Lockerungen) konnten die Eltern zulassen, dass ich ihn das erste Mal alleine sah. Und tatsächlich erzählt er mir von Schreien und von Schlägen zu Hause. Das bedrückt mich.
Nach diesem Termin laufe ich glücklicherweise mit meiner Leitung zum Jugendamt und auf dem Weg können wir einen Plan für die nächsten Schritte schmieden. Das gibt Handlungssicherheit. Normalerweise würde ich jetzt noch bei Gelegenheit zwischen zwei Terminen in unserem Büro aufs Sofa fallen und die Person zutexten, die gerade da ist. Die Kolleg*in würde mich dann emotional auffangen und wieder hätte ich das Gefühl nicht alleine in meiner Arbeit zu sein. Das geht dieser Tage nicht. Aber nächsten Dienstag ist ja zum Glück wieder Team-Chit-Chat-Zoomzeit mit den anderen. Ich muss also nur ein wenig aufschieben… und dann kann ich mir holen was ich brauche, um meine Arbeit gut und souverän zu machen. Danke an mein Team dafür!
Jetzt darf ich bloß nicht verpeilen, wann es Dienstag ist! ;)